Neoformalismus und Animationsfilm

Kinematographie

Die Kinematographie umschreibt im Gegensatz zur Mise-en-Scène alles, was die Kameraarbeit betrifft. Hierbei sind zunächst Begriffe aus der Fotografie wie Einstellungsgrößen, Bildkomposition, Perspektive, Tiefenschärfe, Belichtung bzw. Farbe und Farbfilter zentral. Ausgehend vom Drehmaterial, also dem Filmträger, auf dem Szenen belichtet werden, weisen Bordwell und Thompson zunächst auf verschiedene Materialien und Belichtungstechniken hin, welche das Bild hinsichtlich der Farben und Kontraste beeinflussen können (vgl. ebd., 164f). Zudem können auch Filter eingesetzt werden, welche beispielsweise den „day for night“-Effekt (d.h. eine Verdunklung einer am Tag gedrehten Szene, so dass diese aussieht, als sei Nacht) hervorrufen (vgl. ebd., 166).

Ebenfalls von der Fotographie ausgehend gehen Bordwell und Thompson auf mögliche Perspektiven ein. Daher steht das Objektiv der Kamera im Vordergrund. Durch verschiedene Objektive können insbesondere Tiefeneffekte erzeugt werden. So kann beispielsweise eine Person im unmittelbaren Bildvordergrund durch eine kleine Linse eine sogenannte „Wide-angle distortion“ durch eine Vergrößerung hervorgehoben werden, während Objekte und Personen dahinter optisch verjüngt werden. Mit einer größeren Linse ist es dagegen möglich bestimmte Entfernungen scharf und unscharf einzustellen, so dass bestimmte Bildelemente hervorgehoben werden können (vgl. ebd. 169f). Zudem sind auch optische Effekte wie das „depth of field“ damit möglich, welche dem Bild Tiefe (bzw. zunehmende Tiefenunschärfe) verleihen (vgl. ebd. 171).

Mit der Kamera sind nach Bordwell und Thompson auch Special Effects möglich. Beispielsweise kann durch Kamerabewegung und Zoom das sogenannte „Serene Velocity“ erzeugt werden, welches die Tiefe des Raums optisch verändert, welches der Betrachter vom scheinbar statischen Standpunkt erlebt (vgl. ebd., 173). Zudem ist es möglich Bilder zu überlagern und so zwei Szenen gleichzeitig abspielen zu lassen. Daneben gibt es auch die Möglichkeit das aufgenommene Bild nachträglich zu manipulieren:

„Sometimes the filmmaker eliminates the camera and simply works on the film itself; but even when drawing, painting, or scratching directly on film, punching holes in it, or growing mold on it, the filmmaker is creating patterns of light on celluloid“ (Bordwell/Thompson 2008, 162).

Durch analoge wie auch durch digitale (d.h. computergenerierte) Techniken ist es daher möglich Bilder nachträglich zu bearbeiten, so dass beispielsweise Augen glühen oder Settings verfremdet werden (vgl. ebd., 177).

Zudem ist auch die Rahmung, dass sogenannte Framing, in den einzelnen Szenen wichtig. Hierzu zählen Begriffe wie die Kamerabewegung, die Erzählhaltung der Kamera, Seitenverhältnisse oder Kadrierungen (vgl. ebd., 162f). 

„In any image, the frame is not simply a neutral border; it imposes a certain vantage point onto the material within the image. In cinema, the frame is important because it actively defines the image for us“ (Bordwell/Thompson 2008, 182).

Eine wichtige Rolle spielt nach Bordwell und Thompson hiernach zunächst das Bildformat. So macht es durchaus einen Unterschied ob ein Film im klassischen Fernsehformat 4:3 (1,33:1) gedreht ist oder beispielsweise in Cinemascope (2,35:1). Das Bildformat beeinflusst maßgeblich, wie Szenen arrangiert werden. So ist kann man in Cinemascope weite Landschaften und Menschenmassen durch das weite Bild sehr gut darstellen, während man in 4:3 zum „einfangen“ dieses Bildes beispielsweise eine Kamerafahrt oder das Letterbox-Verfahren einsetzen müsste (vgl. ebd., 183f).

Ganz im konstruktivistischen Sinne spielt auch der Onscreen- und Offscreen-Raum eine wichtige Rolle. Die Grundannahme ist hierbei, dass bei Bildübergängen und Kamerabewegungen der Raum, der nicht im Bild gezeigt wird, vom Zuschauer aktiv konstruiert würde. Hierbei helfen nach Bordwell und Thompson beispielsweise Techniken wie Splitscreen-Verfahren oder Kamerabewegungen (vgl. ebd., 187f).

Mit Hinblick auf die Fotographie spielt beim Framing auch der Winkel, die Höhe und die Entfernung der Kamera eine zentrale Rolle. Dadurch wird es möglich verschiedene Einstellungen, wie die Detailaufnahme oder die totale Einstellung zu realisieren. Zudem können auch Über- bzw. Untersichten erzeugt werden, die bestimmte Bildelemente optisch vergrößern (Froschperspektive) oder verkleinern (Vogelpespektive) können (vgl. ebd. 190f).

Durch die Bewegung der Kamera ist es beim Framing auch möglich dieses auf verschiedene Wege zu verändern. So kann eine kleine seitliche Kamerafahrt beispielsweise einer Dialogszene mehr Dynamik verleihen, während durch eine größere Kamerafahrt in der Tiefe die generelle filmische Rahmung verändert werden kann (bspw. kann verdeutlicht werden, dass eine gesehene Szene ein Film im Film war) (vgl. ebd., 199f).

Abschließend möchte ich in Bezug auf die Kinematographie auf zeitliche Aspekte eingehen. Zum einen ist es möglich, durch die Aufnahmegeschwindigkeit das „Unsichtbare“ sichtbar zu machen. Dieses Konzept bezeichnen Bordwell und Thompson als „Speed of Motion“. Beispielsweise kann der Blickkontakt zwischen zwei Protagonisten durch eine Verlangsamung der Filmzeit (wofür mehr Bilder pro Sekunde benötigt werden) hervorgehoben werden; durch die filmische Verlängerung des eigentlich unscheinbar flüchtigen Moments, können daher Cues erzeugt werden (vgl. ebd, 166f). Auf der anderen Seite speilt auch die Verweildauer eines Bildes bei Bordwell und Thompson eine wichtige Rolle. Hierbei beziehen sie sich vor allem auf den „Long Take“, wobei die Kamera ununterbrochen filmt. Dadurch ist es möglich beispielsweise Sonnenaufgänge (als zeitliche Modifikation) aufzunehmen und so ohne Montage das Vergehen der Zeit zu visualisieren (bspw. im Zusammenspiel mit Speed of Motion und Special Effects) (vgl. ebd., 208f).


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